Dienstag, 27. September 2016

Die Berufungsgeschichte des Orakelpriesters von Dungkar Gompa



Folge 4:
 Govinda berichtet in seinem Tibet - buch, dass am Tage nach der erlebten Orakelbefragung das  Fest des ersten Vollmonds  stattfand, was in etwa unserem Heiligabend vergleichbar ist. Alle Menschen in Tibet sind in einer fröhlichen Festtagsstimmung. 
Govinda fragte während  eines lockeren Zusammenseins im Klosterhof einige Mönche , ob denn nicht auch der Orakelpriester am Fest teilnähme, worauf er auf eine Person hingewiesen wurde, die mitten unter all den Leuten stand:
...wir konnten es kaum glauben, dass dieser einfache Mönch die gleiche Person sein sollte, die wir einige Stunden zuvor auf dem Thron des Orakels gesehen hatten. (S.291)
In den darauf folgenden Wochen gelang es ihm sich mit jenem Mönch anzufreunden und mit ihm über seine Rolle als Orakelpriester zu sprechen. So fragte er ihn beispielsweise, ob er sich an irgendetwas erinnern könne, was während der Befragung geschehe:
Nein, ..., ich habe keine Ahnung was während meines Trancezustandes geschieht. Aber wenn ich in meinen normalen Zustand zurückkehre, schmerzt mein ganzer Körper. Ich brauche immer viele Tage um mich zu erholen
Und er erzählte weiter, dass er ein ganz normales Leben mit Frau und Kindern gelebt hätte, bis er eines Tages todkrank geworden sei. Ein Lama kam und las Gebete vor um ihn auf den Tod vorzubereiten. Und während er die Anrufungen (Invokationen) der Schutzgeister Tibets rezitierte, passierte es:
... wurde ich plötzlich von ihnen besessen ... und als ich endlich wieder zu mir kam, sagte der lama zu mir, dass mein Leben gerettet werden könne, wenn ich bereit wäre den Göttern zu dienen, die mich als ihr Werkzeug ausersehen hätten
Und so legte er ein Mönchs - Gelübde ab und binnem kurzem war er vollkommen genesen:
Doch immer wenn diese Invokationen rezitiert wurden, fiel ich in Trance und die göttlichen Kräfte nahmen von mir Besitz
Dies wurde als Zeichen der Berufung angesehen und so begann dann eine lange Ausbildung zum Mönch und Orakelpriester. Gerade als er sie beendet hatte, wurde dann der Orakel-Platz in Dungkar Gompa frei und er dort hingeschickt.

Persönlich sehe ich keinen Grund warum ich an dieser Berufungsgeschichte zweifeln sollte, ist für mich allerdings ein erschreckender Hinweis auf die Aktivitäten dämonischer Geister im tibetischen Buddhismus ... und sicher nicht nur da!


 
 


Montag, 26. September 2016

Die Verwandlung des Orakelpriesters - ein Erklärungsversuch




Folge 3:
Im letzten Abschnitt hieß es ja in Govindas Augenzeugen-bericht: 
so dass wir uns wie alle anderen dem Orakel zu Füssen warfen, alles um uns vergessend, außer der Wirklichkeit einer Macht jenseits unseres Verstehens.
Jenseits unseres Verstehens? Hatte Govinda Zweifel, ob es sich bei der Manifestation im Körper des Orakelpriesters tatsächlich um einen der Schutzgötter handelte?
Mich hat die Kraftdemonstration des Orakelpriesters:
... sechs kräftige Mönche versuchten ihn auf den Thron zurückzuziehen. Der Priester schien sie aber überhaupt nicht zu bemerken und schüttelte sie ab wie eine Schar Kinder.
an eine Begebenheit aus der Apostelgeschichte erinnert:
 Nun versuchten auch einige der umherziehenden jüdischen Geisterbeschwörer, den Namen Jesus, den Namen des Herrn, bei ihren Geisteraustreibungen zu benutzen. Sie sagten dann: "Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus verkündigt."
Es waren besonders die sieben Söhne eines gewissen Skevas, eines jüdischen Hohen Priesters, die das taten. 15 Doch bei einer dieser Gelegenheiten sagte der böse Geist in dem Besessenen: "Jesus kenne ich, und wer Paulus ist, weiß ich auch. Aber ihr, wer seid denn ihr?" 16 Und der Besessene stürzte sich auf sie und warf sie zu Boden. Er richtete sie derartig zu, dass sie blutend und halbnackt aus dem Haus flüchteten. 17 Die Geschichte war bald in ganz Ephesus bekannt. Juden und Nichtjuden wurden von Furcht gepackt, und der Name des Herrn Jesus wurde geehrt und gepriesen   (Apostelgeschichte 19)

Sieben, die übel zugerichtet wurden? ... sechs kräftige Männer, die problemlos abgeschüttelt werden? Das wirkt wie eine Parallele ... wurde der Orakelpriester vielleicht von einem Dämon in Besitz genommen?
Ein gewisser Riencourt beschrieb in seinem Augenzeugenbericht von einer Orakelanrufung bezüglich einer großen Trockenheit im Lande: 
" ... Langsam schien das Blut aus seinen sich verändernden Gesichtszügen zu weichen, und sein Fleisch sah aus als ob es hinwegschmelzen wolle ... sah ich zu meiner Überraschung die Knochenstruktur seines Gesichts heraustreten und zu einer Totenmaske werden, einen bloßen Schädel, der mit einer dünnen, grauen Haut überzogen war. Es war eine unglaubliche und versteinernde Metharmophose von Mr. Jekyll zu Mr. Hyde ... ich war wie betäubt von dieser unheimlichen Zeremonie (S.298 "Der Weg ..." von Govinda) 
 Es sei nur am Rande erwähnt, dass es in der darauf folgenden Nacht in der ganzen Nacht in Strömen goß.

Donnerstag, 22. September 2016

Die erschreckende Verwandlung des Orakelpriesters



Folge 2:
Es gibt  zahlreiche Augenzeugen - Berichte von Orakelbefragungen im tibetischen Buddhismus. Einer beispielsweise von Govinda, der zum Studieren der Religion ( Ende der vierziger Jahre) nach Tibet kam: 
Kurz vor Mittag hörten wir das Dröhnen von Kesselpauken ... und sahen eine Menschenmenge sich dem Eingang des Orakeltempels zudrängen. ... wir mischten uns unter die Menschenmenge. ... Bevor wir wußten, wie uns geschah, standen wir vor dem Thron des Großen Orakels ( S. 286/287 aus "Der Weg der weißen Wolken")

Auf dem Thron saß, prachtvoll gekleidet mit einer goldenen Tiara auf dem Haupte, der Orakelpriester von Dungkar Gompa. Es folgte nun eine öffentliche Anrufung der Schutzgötter Tibets durch einen Mönchs-chor ... :
"Die Menge stand wie versteinert im Bann dieses feierlichen Augenblicks. Alle Augen waren auf die majestätische Person auf dem goldenen Thron gerichtet. ... Plötzlich aber schien ein Vibrieren, vom Boden ausgehend, die Füsse und Beine (des Orakelpriesters) zu erfassen, ... , bis schließlich die ganze Person von konvulsivischen Zuckungen erschüttert wurde. ... Dieser Kampf zwischen dem menschlichen Körper und der unheimlichen Macht, die von ihm Besitz ergriff und ihn in ein dämonisches Wesen verwandelte, war ein beängstigender Anblick." (S.287)

Es trat dann ein Mönch vor dem Thron und stellte ein Frage bezüglich  der Zukunft Tibets. Woraufhin der Orakelpriester sich erhob,  ein Schwert aus dem Wafffenbehälter griff und damit in alle Richtungen mit unvorstellbarer Geschwindigkeit und Wucht Hiebe austeilte , offensichtlich nicht mehr Herr seiner Sinne ... sechs kräftige Mönche versuchten ihn auf den Thron zurückzuziehen:
Der Priester schien sie aber überhaupt nicht zu bemerken und schüttelte sie ab wie eine Schar Kinder. ... bis er schließlich schwer atmend und völlig erschöpft in sich zusammensank. ... Der Schaum stand ihm vor dem Mund und er gab seltsame Laute von sich als versuchte er zu sprechen. (S.288)
Kurz darauf näherte sich ein Mönch mit einer Schreibtafel und schrieb die "sich auf den Lippen formende", wohl geflüsterte Botschaft des Orakelpriesters, als vorgeblicher Rat der Schutzgottheit, auf. 

Eigentlich hatte ich vorgehabt an dieser Stelle noch ein zweites Beispiel zu bringen, fühle mich selber aber von diesem Bericht jetzt etwas geschafft. So belasse ich es erst einmal bei diesem eindrücklichen Beispiel. Vielleicht nur noch kurz die Reaktion der Menge:
... sie drängten wieder dem Throne zu und warfen sich dem Orakel zu Füßen ... auch wir fühlten, wie wir  aus unserem eigenen Bewusstsein herausgehoben und aufs tiefste ergriffen wurden, so dass wir uns wie alle anderen dem Orakel zu Füssen warfen, alles um uns vergessend, außer der Wirklichkeit einer Macht jenseits unseres Verstehens.(S.289)

Montag, 19. September 2016

Der tibetische Orakelkult



Folge 1: 

Vielleicht betrachten manche Orakelkulte als eine Sache der Antike, beispielsweise im alten Griechenland ("Orakel zu Delphi"). Können sich aber nicht vorstellen, dass es auch neuzeitlich noch ausgeprägte Orakelkulte gibt. Und doch ist dies der Fall, beispielsweise im tibetischen Buddhismus.So schreibt der derzeitige Dalai Lama:
 In früheren Zeiten hat  es über ganz Tibet verstreut Hunderte von Orakeln gegeben. Von denen sind nur wenige übrig geblieben. Die wichtigsten aber, die von der tibetanischen Regierung befragt werden, existieren noch. ( S. 311 aus " Das Buch der Freiheit")
An dieser Stelle ist es vielleicht sinnvoll erst einmal zu klären, was unter einem Orakel überhaupt zu verstehen ist. Ich zitiere noch einmal den Dalai Lama:
In der tibetischen Tradition sind Orakel Männer und Frauen, die als Medium zwischen dem natürlichen und dem spirituellen Bereich fungieren. (S.310)

Präziser ausgedrückt: als Medium zwischen Mensch und Schutzgottheiten fungieren. Und mit welcher Absicht?
... der Zweck von Orakeln ist nicht einfach, wie man annehmen könnte, das Voraussagen der Zukunft. ... Man kann sie (= die das Medium in Besitz nehmenden Schutzgottheiten) auch bitten als Beschützer und manchmal sogar als Heiler zu fungieren. Ihre wichtigste Funktion aber ist der Beistand, denn sie den Menschen bei der Ausübung des Dharma (= Lehren des Buddha) leisten. (S. 310)
 Und der Dalai Lama schreibt weiter:
 ich habe mehrmals im Jahr mit ihm ( dem "Staats-Orakel") zu tun. Das mag für westliche Leser des 20. Jahrhunderts sonderbar klingen. ... Ich halte aber aus einem einfachen Grunde daran fest, weil ich im Rückblick auf zahlreiche Befragungen feststellen konnte, dass das Orakel noch immer recht hatte. (S.311/312)
 Ich glaube, dass diese wenige Zitate recht deutlich machen, wie sehr der Orakelkult Bestandteil des tibetische Buddhismus ist. Wie erschreckend sich dieses Ritual der Orakelbefragung in der Praxis vollzieht, werde ich im nächsten Abschnitt darstellen.